Offene Steuerung – improvisierende Maschinen

Die offene Steuerung ist eine Form der Lenkung eines Vorgangs oder Ablaufs (“Komposition”), die im Wesentlichen auf der Ebene der Bedingung der Moeglichkeit ansetzt. Im Unterschied zu einer herkoemmlichen geschlossenen Steuerung, die auf eine moeglichst genaue Kontrolle ueber die zu realisierenden Ereignisse (Events) abzielt, geht es in der offenen Steuerung um die Definition von Moeglichkeitsraeumen, innerhalb derer sich Events mit gewissen Wahrscheinlichkeiten und Interdependenzen ereignen koennen – aber nicht muessen. Das Wesentliche der offenen Steuerung liegt in der Variabilitaet und in Unverhersehbarkeit des so gesteuerten Ereignis-Ablaufes.

Offene Steuerung soll hier verstanden werden als eine Form der Improvisation oder der freien Rede: um sinnvolle (d.h. fuer andere verstehbare oder geniessbare) Ereignisse zu produzieren, muss gewisse Struktur (Grammatik, Syntax, Rythmus, Harmonie, etc) vorhanden sein. Indem sie gewisse Moeglichkeitsraeume und Freiheitsgtrade absteckt (bezueglich Zeit, Kontinuitaet, Abfolge, Syntax, Slang, Betonung, etc.) ist die offene Steuerung eine Meta-Ebene der Improvisation oder freien Rede.  

Das hier vorgeschlagene Projekt hat eine theoretisch konzeptuelle und eine technisch-praktische Seite. Darum werde ich im weiteren diese zwei Ebenen unterscheiden und getrennt dokumentieren bzw. ausarbeiten.

Teil A wird sich mit dem Konzept offener Steuerung und der Idee improvisierender Maschinen auf logischer, historischer, kuenstlerischer und philosophischer Ebene auseinendersetzen. Anhand einiger Beispiele soll ein Blick in verschiedene moegliche Anwendungen und die logische Struktur offener Steuerungen gewagt werden.

Teil B dokumentiert die praktische und technische Umsetzung eines offenen Steuerungssystems anhand eines Projektes zur Gestaltung mit Klang: Open Machine Improvisation Environment (vorlaeufiger Name) . Ein in Puredata erstellte Umgebung fuer ein offenes Ensemble improvisierender Maschinen, die es ermoeglichen soll, live strukturierten Sound zu produzieren und auch mit anderen musikalischen Akteuren zu interagieren.
Ziel ist es dabei nicht, eine Software zu erstellen, welche fuer verschiedene Kontexte der musikalischen Improvisation fertig erstellt und einsetzbar ist, oder eine Fortfuehrung und Synthese bestehender Software zu entwickeln.
Ziel dieser praktisch-experimentelle Vorgangsweise ist es zuallererst Sound zu produzieren und den spezifischen Prozess der Herstellung dieses Sounds zu dokumentieren und zur Diskussion zu stellen.

A: Das Konzept der offene Steuerung

in Arbeit

1. geschichtliche Einleitung

2. Konzept:
Def. Moeglichkeitsraum
Def. Freiheitsgrad, Improvisation, Zufall
Def. Struktur und Sinn
Abgrenzung zur KI
Bez. Offene geschlossene Komp.

3. Ausblick
Modelle in der Technik:
Modelle in der Kunst und Unterhaltungsindustrie: Games, Zufall in der Kunst, etc., Software zum Improvisieren oder Erstellen von Werken verschiedener Art.
Modelle aus der Physik: dynamische Systeme
Modelle aus der Landwirtschaft: Permakultur
Modelle aus der Wirtschaft: Toyota

B: Praktische und technische Umsetzung der offene Steuerung – Open Machine Improvisation Environment (vorlaeufiger Name)

Um die Idee der offenen Steuerung umzusetzen, eignet sich die Computer-Musik hervorragend. Erstens, weil die Musik eine Kunstform ist, die sich durch eine offene zeitliche Achse und durch den Einsatz diskreter Elemente (seien es Noten, Schlaege, etc.) auszeichnet (so wie z.b. die verbale Sprache).
Zweitens, weil sich durch den Einsatz des PCs einfach umsetzbare und erschwingliche Moeglichkeiten offener Steuerung bieten (im Gegensatz zur Orchestermusik z.B.). Zudem lassen sich hier Moeglichkeitsraeume und Interdependenzen mathematisch exakt definieren und realisieren.

Stand des Projektes, Nov. 18: Zwei Player erstellt in Pure-data:

1. PlayerGroupSpeed (PGS)

Dieser Player bezieht sich immer auf eine vordefinierte Gruppe von Soundfiles, die er wiedergeben kann. Die Wiedergabe kann mit verschiedenen Geschwindigkeiten erfolgen (“Speed” oder “Pitch”) und verschiedene Effekte beinhalten. Der Raum, in welchem sich der PGS bewegt, ist demnach durch diese drei Achsen oder Freiheitsgrade definiert: Der Auswahl, der Zeitigung, und dem Speed/Pitch;
Um ein Sound-Ereignis hervorzubringen (also vom Raum der Moeglichkeit ins Tatsaechliche zu wechseln) muessen diese drei Variablen oder Freiheitsgrade fixiert werden:

1. Auswahl aus der Gruppe: Eine Gruppe von moeglichen Sound-Ereignissen kann sehr unterschiedlich zusammengesetzt sein, sie kann von Aehnlichkeit oder Verschiedenheit, Reihung oder Austauschbarkeit gekennzeichnet sein.
Bspe.:

3. Zeitigung: Die Wahl des Zeitpunktes. Wann mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Ereignis eintritt – und in welchem zeitlichen Raster – im Sinne eines zeitlichen Moeglichkeitsraumes.

3. Geschwindigkeit: Tonhoehe und Effekte. Die Wiedergabe der vorhandenen Elemente kann mit verschiedenen Spezifizierungen versehen werden: Der Pitch (vergleichbar mit der Tonhoehe) ist nur eine Moeglichkeit unter vielen. Freilich ist es naheliegend dem Pitch eine zentralere Rolle einzuraeumen als anderen Effekten, da die gewohnte tonale Musik den Pitch als zentrales Gestaltungsmoment einsetzt.

In diesen 3 Freiheitsgraden liegt nun das improvisatorische Potiential auf welches die Maschine (der Player) zurueckgreifen kann. Die offene Steuerung gibt die Bedingungen vor, nach welche ausgewaehlt werden, d.h. die Bedingungen der Moeglichkeit. z.B. “waehle zufaellig einen Sound aus der Gruppe, jede Viertelnote zu 70%, steigere die Tonhoehe jeweils um einen Halbton”.

2. LoopSpeedMangler (LSM)

Dieser Player ist in Kombination mit dem PGS einsetzbar (was den zeitlichen Raster und den Speed/Pitch betrifft). Er kann Soundfiles im Loop wiedergeben, zerstueckelt wiedergeben und in unterschiedlicher Geschwindigkeit bzw. Tonhoehe abspielen. Der LSM verfuegt also zwei wesentliche Freiheitsgrade:

1. Der Zeitigung – hier geht es nicht nur um die Wiedergabe zu einem gewissen Zeitpunkt, sondern auch um eine moegliche Zerstueckelung, die sich wie folgt ergibt: Startpunkt innerhalb des Files, Laenge des Stueckes, Anzahl der Wiederholungen des Stueckes. Diese Zertueckelung und Wiederholung von Teilen des originalen Soundfiles wird hier als “mangle” bezeichnet

3. Speed: Tonhoehe und Effekte. Die Lesegeschwindigkeit des Soundfiles ergibt verschiedene Tonhoehen und kann von aussen gesteuert werden. Dazu bietet sich der oben beschriebene PGS an, da er die Geschwindigkeitsaenderungen in einer zeitlich strukturierten Form durchfuehren kann und diese dann an den LSM weitergegeben werden kann.

– Weiterentwicklung: das Ziel ist es, in diesem Player nicht nur schon vorher existierende Soundfiles abspielen und manipulieren zu koennen, sondern auch jederzeit Sound einspielen und verwerten zu koennen. Sowas wie eine Loopmaschine, die es ermoeglicht live Sound einzuspielen, zu loopen, zu speichern und zu manipulieren.

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