Immersive Journalism – Disrupting the narrative

(fig. Quelle: http://www.frontlineclub.com/orama-immersive-journalism-festival/ )

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Bericht:
Scott, C. (11.02.2016), „Disrupting the narrative: Telling stories with 360-degree video“, In: journalism.co.uk

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Februar 2016 publizierte die Journalistin Caroline Scott einen Artikel in dem britischen Blog journalism.co.uk, welcher über die Forschung Sarah Jones bezüglich des immersiven Journalismus berichtet. Sarah Jones, erklärt Scott, hat ihre Karriere als Fernsehjournalistin angefangen und leitet seit 2015 die Abteilung für Medien an der britischen Universität Coventry. Als Reaktion auf das Interesse von News-Organisationen wie ABC News, Sky News, The New York Times und Vice News für die VR-Technologie, hat Jones Forschungen unternommen, um die Rolle des 360°-Mediums im heutigen Journalismus zu definieren. 1. Bei einer Fokusgruppe von 18 bis 24-Jährigen Briten und 12 Videos aus verschiedenen englischsprachigen News-Organisationen, führte sie 2015, Studien über die neuen Technologien und über das neue Verständnis von der Auswirkung der Geschichtserzählung durch, welche immersiver Journalismus bietet.2. Unter anderem, wurden die Schlussfolgerungen dieser Studien 2016 während des „VR UK“-Festivals in London präsentiert, über welches Caroline Scott in ihrem Artikel Bericht erstattet.3.

Nach Jones Definition unterscheidet sich der immersive Journalismus von 360°-Dokumentarfilmen insofern, dass es sich hier um kurze Videos handelt, welche Ereignisse in der Form von Reportagen erzählen. Wichtig sind dadurch eine effiziente Darstellung der Information, sowie die Bedingung, das Video kurz zu halten. Nichtsdestotrotz braucht die Information über welche berichtet wird, eine Dramaturgie, um Emotionen zu erzeugen. Als Jones ihre Forschung begonnen hat, sah sie das größte Potenzial des Mediums in der Tatsache, dass die Barriere des Bildschirms abgeschafft ist und, dass der Zuschauer hiermit eine unmittelbarere emotionale Beziehung zu den Ereignissen aufnehmen kann. Ebenso – wie sie bei einer TEDx-Rede 2016 in London erklärt hat – wird die Information in so einem immersiven und interaktiven Kontext langfristiger in Erinnerung bleiben:
„After two weeks, you remember 10% of what you were told, you remember 50% of what you see and read, you remember 90% of what you do.“ 4.
Ihre Begeisterung für das Medium, welche in theoretischen Überlegungen verankert war, wurde allerdings durch ihre Studien und die praktische Anwendungen des 360°-Format von den News-Organisationen  nuanciert.

Die erste Beschränkung, welche Jones beobachtet hat, ist, dass es länger dauert die 360°-Reportagen zu produzieren. Der Aufwand, unter anderem in der Post-Produktion, hat zur Folge, dass die Videos ihren Fokus auf anhaltende Geschichten haben, in welchen die Ereignisse sich nicht rasch und drastisch verändern können. „It takes time to produce good content, and it has to be relevant by the time it is released“ erklärt sie.5. Dazu kommt, dass die VR-Videos länger dauern müssen, um dem Zuschauer Zeit zu lassen, den Inhalt wahrzunehmen: “In a traditional news story, particulary for an online audience, you’re looking at a story duration of between one a half and two minutes, but VR content needs to last longer as the user is looking around and needs more time.”6.

Ebenso konnte sie beobachten, dass die Empathie des Zuschauers für die 360° dargestellten Ereignisse – im Gegensatz zu ihrer Erwartung – nicht unbedingt im Vergleich mit einem normaleren Format steigt. Sie sagt: „I’m still a bit more divided on this, and it needs more research. We talk about it being this ultimate empathy machine, and yet the results aren’t backing that up at the moment.”7. Dazu stellt sich außerdem die Frage der Proximik. In ihren Studien fühlten sich die Zuschauer oft unbehaglich, als die Kamera in der Mitte des Ereignisses positioniert war und hatten das Gefühl, dass sie in ihre persönliche Sphäre eingedrungen wäre. „It made them want to take off their headset when people were passing by very closely – particulary in situation such as a protest, where you’ve got people really close to you. People didn’t like that. That is really interesting to me, because I thought that’s what people would enjoy, so that is something we need to be thinking about.”8. Auf der anderen Seite bleibt das Bekümmernis der Zuschauer, Informationen zu verpassen: das sogenannte FOMO – the fear of missing out. Wenn es sich um News handelt, ist diese Thematik umso schwieriger, so dass die 360°-Videos nur als Komplement zum traditionellen Medium zu sehen sind.

Jones sieht allerdings auch die Vorteile des Formats: wenn man ein Headset auf dem Kopf hat, gibt es keinen Platz für Ablenkung. „There is no possibility of distractions like there is when you are watching the news. You can’t play on your tablet or phone whilst occasionally glancing up at the screen.”9. Die 360°-Videos halten die Aufmerksamkeit des Zuschauers, welche sonst oft mit anderen Alltagsaktivitäten geteilt wird. Dafür wird VR zu einem sehr nützlichen Werkzeug des Journalismus, sagt Jones.

Ebenso hat sie beobachtet, dass die Anwesenheit des Reporters teilweise störend war und, dass die Zuschauer tiefer und schneller eintauchen konnten, wenn die Geschichte unmittelbar gezeigt wird. Sie spricht von „character-led stories“10., in welchen der Zuschauer eine direkte Beziehung zu den Figuren aufbauen kann und den Raum frei erkunden kann.

Jones Einsichten zeigen wie stark das 360°-Format inhaltsabhängig ist und stellen die Frage was es bedeutet, etwas unmittelbar zu zeigen und zu erklären. Vielleicht ist das Wohlbefinden des Zuschauers nicht das Ziel einer Reportage. Vielleicht ist es überhaupt gefährlich ein dramatisches Ereignis ohne eine Kontextualisierung zu zeigen, welche ein Reporter liefern kann.  Vielleicht bedeutet es sogar überhaupt das Gegenteil: Der Vorteil eine „personalisierte“ Information zu bekommen.  “If we were up there, we might see something everyone else is missing. Something that make the difference.” 11.

Wenn es so scheint, als ob sich Grundregeln für VR-Inhalte etablieren, wird es allerdings klar, dass man keine allgemeine Problematik für 360°-Storytelling definieren kann. Je nach Inhalt und Absicht können Charakteristiken des Mediums von Vorteil oder von Nachteil sein. Wichtig ist es, zu definieren, was die Stelle des Zuschauers als Zeuge für den Inhalt bedeutet – sei es in der Fiktion wie bei realen Ereignissen.

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“Sarah Jones is an immersive storyteller, using 360 degree technology and virtual reality to bring together new forms of narrative. Sarah focuses on technological embodiment, understanding an environment and culture through being someone else in a virtual world. Her works interrogate ideas of increased presence through multi-sensory films and challenging perspectives within the virtual world. These tools are consequently applied to educational scenarios to foster experiential learning through VR and Sarah is an advocate for using virtual reality technology for teaching and learning. Sarah is the co-founder of VR Girls UK and an active champion of women in technology. She is listed in the top 100 of global influencers in VR. She spent more than a decade working as a television reporter covering everything from the US elections 2008 to being in Sex and the City, Sarah moved into academia and works at Coventry University, happily spending her days immersed in a virtual world. “12

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1.Scott, C. (11.02.2016), „Disrupting the narrative: Telling stories with 360-degree video“, In: journalism.co.uk
2.Jones, S. (2017), “Disrupting the narrative: immersive journalism in virtual reality”, In: Taylor & Francis Online, Journal of Media Practice, V.18, Ss.171-185
3. Scott, C. (11.02.2016), „Disrupting the narrative: Telling stories with 360-degree video“, In: journalism.co.uk
4.TEDx Talks (02.02.2016), “An immersive revolution in news, teaching and human understanding | Sarah Kones | TEDxEastEndSalon”, In: (youtube) url: https://www.youtube.com/watch?v=gww1chm4-og , 14.37 Min.
5. Scott, C. (11.02.2016), „Disrupting the narrative: Telling stories with 360-degree video“, In: journalism.co.uk
6.Ebenso.
7.Ebenso.
8.Ebenso.
9.Ebenso.
10.Ebenso.
11.Game of Thrones, S08E03
12.Butkovic, M. (06.02.17), “WoW Woman in VR | Sarah Jones, Co-founder of VR Girls UK and Deputy Head of School of Media and Performing Arts at Coventry University”, In: www.womenofwearables.com

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