Musik und Emotion.
Kann Musik Emotion übermitteln?
Angesicht unseres Habitus schreiben wir Sound bestimmte Emotionen zu. Zudem spielt Musik in der Menschheitsgeschichte eine entscheidende Rolle, denn es gibt kaum eine Kultur ohne musikalische Aufzeichnungen. Bei dem Selbstversuch der Beschreibung und der Beschäftigung von Klang, Musik und im speziellen Sound, spielt Subjektivität eine dominierende Komponente. Denn gerne wird behauptet, Klang und Musik ist die Sprache der Gefühle. Wenn ich dieser Annahme vertraue- müsste dann nicht Emotion selbst im Sound vorhanden sein? Viele Annahmen gehen davon aus, das Klang an Raum und Zeit gebunden ist. Denn Klang ist etwas Flüchtiges und entsteht erst durch die Produktion einer Interaktivität.
Das Geschwisterpaar Michel Decosterd und Andre Decosterd zeigen mit ihrer Soundinstallation jedoch, das es unter dem Publikum ähnliche Gefühlsreaktionen gibt. Bei der Installation πTon verwendeten die Brüder einen spiralförmigen Gummischlauch der mit vier einzelnen ‚torsion motor’ bewegt wird. Durch die axiale Drehbewegung der Motoren verformt sich der spiralförmige Gummischlauch und wirkt so wie eine bewegende Kreatur. Die Geschwindigkeit der axialen Drehbewegung wird gemessen und ist mit einem Musikgerät synchronisiert. Für den Sound sind vier mobile Lautsprecher im Raum verantwortlich. Gekoppelt mit einem Echtzeit Mikrophon wird durch ein selbsterzeugtes Programm Sprache generiert und schließlich synthetisiert. Aus den Lautsprechern erschallt eine Stimme mit einem abstrakten Charakter. Das unwirkliche Geschöpf mit der künstlichen Sprache wirkt dadurch noch lebendiger und wird als lebendiges Symbol unserer Ängste verstanden.
Kritik zu πTon:
Die Voraussetzung um Musik, Töne oder Klänge überhaupt wahrnehmen zu können, ist die Verbindung zwischen Musikproduzenten und dem Musikhörenden, die im selben Raum – Zeit Gefüge bestehen.[1] Somit erzeugt die Soundinstallation ein soziales Feld (sozialen Raum) mit mehreren Akteuren und Akteurinnen die uns als die eine Wirklichkeit erscheint. Obwohl die Reaktionen der teilnehmenden Personen ähnlich waren und dadurch Ängste erzeugt wurden, heißt es noch nicht, dass die Soundinstallation dafür verantwortlich ist. Denn „der soziale Raum konstituiert sich aus sozialen Feldern und Positionen, die Wahrnehmung, Interpretationen von Realität, Spielregeln, Währungen und Handlungschancen von Akteuren prägen und gleichfalls von ihnen geprägt werden.“ (Chsitiane Schell zit. nach Bouerdieu, 2010 S44). Wie jedes soziale Feld erzeugt auch das Musikfeld (also der musikalische Raum) seine eigene Wirklichkeit, seine Illusion. Die vorhandenen Akteure werden dazu regelrecht aufgefordert, sich in das Feld miteinzubringen und mitzuspielen. Die Spielregeln im Feld sind historisch -gesellschaftlich konstituiert und Fremd- bzw. Selbstzwängen untergeordnet. Die musikalisch- künstlerischen Ideen sind nur im bestehenden System möglich. Zudem erwirbt ein Musikstück seinen Wert nicht durch die aufgebrachte Zeit und Materialität, sondern durch sein Produktionsfeld.(vgl. Christiane Schell 2004)
[1] Der Raumbegriff bezieht sich hier nicht auf ein in sich physisch gebauten Raum, sondern eher auf den von Bourdieu entwickelten sozialen Raum. Raum kann somit als das Musikhören mit Kopfhörern verstanden werden. D.h. Mensch hört Musik mit Kopfhörer = musikalischer Raum.
Literatur:
- Kreutz, G. (2009): Musik und Emotion. In: Bruhn, H., u.a. (Hg): Musikpsychologie. Das neue Handbuch. 2. Auflage. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. S. 548-572.
- Schnell, Ch. (2010): Der Kulturbetrieb bei Piere Bourdieu. In: Bekmeier-Feuerhahn S., u.a. (Hg): Theorien für den Kultursektor. Jahrbuch für Kulturmanagement 2010. Bielefeld: transcript Verlag. S. 43-53.
Literaturlinks:
- https://iem.kug.ac.at/projects/workspace/projekte-bis-2008/publications/bem/bem6.html
- http://www.nime.org/proceedings/2009/nime2009_286.pdf
- http://neural.it/2018/09/%CF%80ton-vocal-rituals-for-rubber-creatures/
- http://codact.ch/works/%CF%80ton-2/