(fig. Mirage festival showroom, jardin de réalité virtuelle du centre phi)
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Bericht:
Bastian, M.(2016),“Googles Anleitung für besseres Storytelling in 360-Videos“, url: https://mixed.de/googles-anleitung-fuer-besseres-storytelling-in-360-videos/
Google Developers (19.05.2016), VR & Cinema – Google I/O 2016, url: https://www.youtube.com/watch?time_continue=140&v=t3xDgONMdlM, 29:56 Minuten)
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2016 rezensierte Matthias Bastian in einem Artikel des deutschsprachigen Blogs „Mixed“, welcher sich mit den Themen VR, AR, KI beschäftigt, einen Vortrag der US-Amerikanischen Regisseurin und Theoretikerin , Jessica Brillhart, welche als Leiterin der Googles Abteilung für VR- und 360-Videos 2016 ihre Theorien auf dem Googles Entwicklerkonferenz I/O präsentierte. „Brillharts Ursprung ist der klassische 2D-Film“ berichtet M. Bastian. „In diesem Bereich war sie bei Google schon seit 2010 aktiv.“1 2015 „bekam sie einen frühen Prototyp eines Jump-Kamerarigs und filmte seitdem viele Stunden 360-Filmaterial.“2 In ihren Vortrag führt sie Thesen und Begriffe vor, welche sie durch diese intensive Arbeit mit der VR-Technologie entwickelt hat. Au Basis dieser empirischen Erfahrungen nimmt sie sich vor, eine „Sprache für das Schaffen von VR-Inhalte“ zu etablieren.3
Sie beginnt ihren Vortag mit der Definition von vier Problematiken, welche sie als die größten aktuellen Spannungspunkten und Herausforderungen in diesem Feld wahrnimmt:
1. Der Verlust des Frames als kreatives Instrument.
2. Die Auswirkungen auf die Filmbearbeitung und -schneiden.
3. Die neue Unmittelbarkeit der Kamera und ihre Konsequenzen auf die Art und Weise wie man sie bedient.
4. Die Geschichtserzählung in VR.
Das Frame, erklärt Brillhart, war bisher eines der effizientesten filmischen Werkzeuge, um die Aufmerksamkeit des Publikums auf gezielten Objekten zu lenken. Für viele Filmmacher bedeutet der Verlust des Frames den Verlust von Kontrolle: mit VR, können die Filmschaffenden nur noch vermuten, auf welche Objekte die Aufmerksamkeit des Benutzers fokussiert sein wird. In diesem Rahmen, führt Brillhart den Begriff von Interessenspunkten (Points of Interest) ein, welche Bereiche der VR-Welten darstellen, auf den der Benutzer am wahrscheinlichsten fokussiert sein wird. Diese Punkte können je nach Inhalt sehr komplex werden und können mit Hilfe visuelle Bewegungen und auditiven Inputs beeinflusst sein.
Beispiele von Interessenspunkte
(Quelle: Google Developers (19.05.2016), VR & Cinema – Google I/O 2016, url: https://www.youtube.com/watch?time_continue=140&v=t3xDgONMdlM, 29:56 Minuten)
Brillhart betont die Wichtigkeit der Planung von diesen Interessenspunkten in der 360°-Welten. Dafür kehrt sie sich von dem klassischen 2D-Storyboard ab und schlag vor, eine Art Storykreis zu benutzen, in dem die Interessenspunkte in Relation zum Blickwinkel des Besuchers eingezeichnet werden.
Position der Kamera und Interessenspunkte
(Quelle: Google Developers (19.05.2016), VR & Cinema – Google I/O 2016, url: https://www.youtube.com/watch?time_continue=140&v=t3xDgONMdlM, 29:56 Minuten)
Beispeil von Schlechte Planung
(Quelle: Google Developers (19.05.2016), VR & Cinema – Google I/O 2016, url: https://www.youtube.com/watch?time_continue=140&v=t3xDgONMdlM, 29:56 Minuten)
Jessica Brillhart erklärt die Rolle des Filmscheidens in diesem System: der Schnitt definiert die Position des Besuchers und führt ihn durch die angefertigte Welt. Damit können die Erfahrungen, die der Anwender in der Welt macht werden, gelenkt werden und subtil das zufriedenstellende Gefühl vermitteln, dass Elemente selbst entdeckt werden. Sie spricht von „Probalistic Experimental Editing“, einer Schnittart, welche das Verständnis des Besuchers und seine Interaktionen mit der VR-Welt sehr stark im Anspruch nehmen und die sogenannte „Hero’s Journey“ des Benutzers zwischen wahrscheinlichen Interessenspunkten folgt. Ebenso erwähnt Brillhart eine Reihe von Methoden, welche den Schnitt natürlicher wirken lasst: beispielsweise wird die Technik von „match on attention“ an Stelle der klassischen „match on frame“ gesetzt, in welchem der Schnitt von einem ersten Interessenspunkt auf den Nächsten ausgerichtet wird.
Der Benutzer entdeckt Elemente
(Quelle: Google Developers (19.05.2016), VR & Cinema – Google I/O 2016, url: https://www.youtube.com/watch?time_continue=140&v=t3xDgONMdlM, 29:56 Minuten)
Match on attention
(Quelle: Google Developers (19.05.2016), VR & Cinema – Google I/O 2016, url: https://www.youtube.com/watch?time_continue=140&v=t3xDgONMdlM, 29:56 Minuten)
Planung der Benutzers Erfahrung – Storykreis
(Quelle: Google Developers (19.05.2016), VR & Cinema – Google I/O 2016, url: https://www.youtube.com/watch?time_continue=140&v=t3xDgONMdlM, 29:56 Minuten)
Im Rahmen der VR, erklärt Jessica Brillhart, verliert die Kamera ihre Unparteilichkeit: nun ist sie nicht mehr nur ein Fenster in der Welt, sondern wird zu den Augen des Benutzers. Insofern, sagt Brillhart, müssen die VR-Inhaltschaffenden sich Gedanken um die Position der Kamera und der Identität, welche dadurch vermittelt wird, machen. Sie gibt das Beispiel einer Szene, in welcher eine Konferenz dargestellt wird: wenn die Kamera auf der Bühne positioniert ist, wird der Benutzer in eine Stress-Situation transportiert, in welcher er von dem Publikum der Konferenz beobachtet wird und er auf das Publikum herabschaut. Wenn die Kamera allerdings im Publikum platziert ist, wird der Benutzer Teil des Publikums und kann sich mit der Gruppe identifizieren. Ebenso liefert Brillhart ein paar Überlegungen, welche die Beziehung des Benutzers zu den Schauspielern betreffen. Da im VR aufgrund der interaktiven Kamera keine Beziehung erzwungen werden können, müssen die VR-Filmschaffenden diese Beziehungen zwischen Benutzer und Schauspieler aufbauen. Beispielsweise empfiehlt Brillhart regelmäßige aber nichtsdestotrotz nuancierte Augenkontakte der Schauspieler mit der Kamera. Ebenso können Beziehungen durch materielle Distanz verkörpert sein: Schauspieler können progressiv an die Kamera herankommen. Jessica Brillhart erwähnt auch den Begriff von „gemeinsamen Erfahrung“ (shared experience), in welcher ein Schauspieler mit dem Besucher eine Erfahrung teilt und ihn durch ein Erlebnis leitet. Diese gemeinsamen Erfahrungen können ein sehr kräftiger Träger von Empathie sein und den Benutzer dazu führen, eine starke Beziehung mit diesem Mitmenschen zu etablieren.
Letztendlich spricht Brillhart von Geschichtserzählung. Sie „geht davon aus, dass der Besucher in VR selbst zum Geschichtenerzähler (“Storyteller”) innerhalb einer Welt wird. Der frühere Geschichtenerzähler, in Verkörperung der Filmcrew, übernimmt stattdessen die Rolle des Weltenerschaffers.“4 Das Kern der VR ist die Präsenz, sagt sie. „ Es gibt kein „Es war ein Mal“ mehr. Du bist da. Und die Geschichte entsteht durch deine Aktionen. „5
Brillhart liefert in diesem Vortrag auf eine sehr klare Art interessante Überlegungen und anwendbare Theorien, welche alle auf ein großes Thema münden: die Geschichte in VR wird durch und in einem angefertigten und geplanten Raum erzählt. Der Besucher dieses Raums aktiviert die Geschichtselemente — oder eben auch nicht —, welche von dem Filmschaffenden verstreut wurden. Durch diese Interaktion des Benutzers wird die Geschichte flexibel und dehnbar, so dass Brillhart sich mit dem anreizenden dennoch etwas relativen Statement geäußert hat, wodurch der zu dem Geschichtserzähler wird. Nichtsdestotrotz könnte diese neue „Mission“ den Anwender dazu bringen, sein Interesse an der VR-Technologie nicht zu verlieren.
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Beispiel von interessante Storykreis:
2.59 – 3.08 Min : Tim Fain (05.11.2015), Resonance: A jump VR Vide, url: https://www.youtube.com/watch?v=qECnb4CT-9c
Beispiel von gemeinsame Erfahrung: Oscar raby, The Assent, VRTOV, url: https://vrtov.com/projects/assent
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1.Bastian, M.(2016),“Googles Anleitung für besseres Storytelling in 360-Videos“, url: https://mixed.de/googles-anleitung-fuer-besseres-storytelling-in-360-videos/
2. Ebenso.
3. Google Developers (19.05.2016), VR & Cinema – Google I/O 2016, url: https://www.youtube.com/watch?time_continue=140&v=t3xDgONMdlM, 29:56 Minuten
4.Bastian, M.(2016),“Googles Anleitung für besseres Storytelling in 360-Videos“, url: https://mixed.de/googles-anleitung-fuer-besseres-storytelling-in-360-videos/
5. Google Developers (19.05.2016), VR & Cinema – Google I/O 2016, url: https://www.youtube.com/watch?time_continue=140&v=t3xDgONMdlM, 29:56 Minuten