Parallele Erzählungen und erzählender Raum

(fig. Illustration für parallele Erzählung,  Flow Chart  In: Detroit: Become Human, Quantic Dream, 2018)

2017 publizierte der Verband für Film- und Fernsehdramaturgie (VeDRAY) eine Ausgabe seiner Zeitschrift „Wendepunkt“ mit dem Thema Virtual Reality – Erzählen in 360° (Wendepunkt, N°37, Februar 2017)1. Ziel dieser Ausgabe – laut Eva-Maria Fahmüller, Vorstandvorsitzende des VeDRA – ist es über die „neue und konstruktive Arbeitsteilungen und Methoden“ zu berichten, welche in der Dramaturgie mit der Entwicklung der Virtual Reality erschienen sind. Die Zeitschrift befasst sich allerdings nicht nur mit Filmen, Serien oder Kurzfilmen, sondern gibt auch interessante Perspektiven auf Computerspieldramaturgie und interaktives Storytelling im breiteren Sinn. Zwei Artikel dieser Ausgabe scheinen aber besonders relevant für mein Forschungsthema zu sein: der Artikel von Roman Klink, „Hilfestellung zum Weltenbau, Aufgaben für Dramaturgen in der VR-Zukunft“, S.3-5 und Egbert van Wyngaardens Artikel namens „Grenzgänger zwischen Raum und Zeit“, S.6-7.

Roman Klinks Artikel untersucht die nicht lineare Art der Geschichtserzählung, welche bei VR-Computerspielen oft zu finden ist, definiert sein Potenzial und erklärt ein paar wichtige Begriffe. Auch wenn er nicht direkt das Thema des 360°-Videos anspricht, öffnet er interessante Perspektiven und Vergleichsmöglichkeiten. Roman Klink spricht von „Virtuelle Welten“, in welchen die Beziehung zwischen Entscheidungen des Users und Resultate des Handelns stark verdeutlicht sein muss.2. Ebenso thematisiert er den dramaturgischen Aufwand der zahlreichen Geschichten, welche sich parallel abspielen, ergänzen und interagieren müssen, um die Glaubwürdigkeit des virtuellen Erzählraums zu verstärken. Dies hat allerdings die Folge, dass es „im virtuellen Erzählraum“ latent oft etwas zu verpassen gibt. Das lückenhafte Wissen über die Geschichte wird in diesem Fall nicht als negative Eigenschaft wahrgenommen, sondern sollte das Bedürfnis erzeugen nach einer häufigen Rückkehr des Users. 3.

Egbert van Wyngaarden kommt teilweise auf Roman Klinks Thematik zurück, spricht von „Metaverse“, von „allumfassende kollektive Sphären, in der reale und virtuelle Welten verschmelzen und wo die Menschen über unerschöpfliche Interaktions- und Verknüpfungsmöglichkeiten verfügen.“ 4. Er erklärt aber, dass die Position der Mediennutzer der große Unterschied zwischen 360°-Filmen und VR-Computerspielen ist. „In 360-Grad-Videos ist der User oft nur wie ein Geist. Er bekommt Einblicke in eine Welt, die ihm sonst verborgen geblieben wäre, bleibt aber selbst unsichtbar und ist unbeteiligt. Wenden sich Protagonisten oder fiktive Charaktere dem User zu, wird ihm eine subjektive Perspektive in der gezeigten Welt zugeteilt. Er ist plötzlich Zeuge.“5.  Er erklärt ebenso, dass, im Gegenteil zu normalen Spielfilmen, die Konzeption einer räumlich erlebbaren Welt in 360-Grad-Videos mindestens so wichtig ist, „wenn nicht wichtiger, als die Konstruktion eines zeitlich strukturierten Plots.“6. Er beschreibt virtuelle Welten, als “Orte zum begreifen“, Orte, „in denen narrationsbildende Ereignisse und Grenzübergängen stattfinden können. 7. Ebenso spricht er von “aufmerksamkeitslenkenden Umgebungsfaktoren“: die architektonische Gestaltung des Raumes und die Verteilung von Personen und Gegenständen darin lenkt der Nutzer um bestimmte Gravitationspunkte. 8.

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Roman Klink studierte Kultur- und Medienpädagogik und arbeitete zunächst als Filmjournalist und Autor. Von 2007 bis 2013 kaufte er für die ARD Degeto internationale Filme ein und verantwortete als Redakteur Kinokoproduktionen. Seit 2013  ist er als Autor, Lektor und Dramaturg tätig und beschäftigt sich als Stoffentwickler seit 2016 auch mit VRFormaten. 9.

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Egbert van Wyngaarden ist Autor, Dramaturg und Professor für Drehbuch und Kreatives Schreiben an der Hochschule Macromedia in München sowie Vorstandsvorsitzender des interdisziplinären Netzwerks Transmedia Bayern e.V. Der Artikel wurde inspiriert von der i4c Konferenz Content Creation for Virtual Worlds am 29.10.2016 in München. GRENZGÄNGER ZWISCHEN RAUM UND ZEIT – ERZÄHLEN IN VIRTUELLEN WELTEN ist eine Vorschau aus dem Buch DIGITAL NARRATION, das im Juni 2017 beim UVK-Verlag erscheinen wird.10.

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Als „gutes“ Beispiel für die Ausnutzung des Raums :  360 Google Spotlight Stories: Special Delivery, url: www.youtube.com/watch?v=XiDRZfeL_hc

Als interessantes Beispiel für die Etablierung eines sinntragenden Raumes (Orte zu begreifen) in einem „normalen“ Spielfilm:  Intro, Outlaw King, David Mackenzie, 2018, 137 min.

 

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1.VeDRAY, Verband für Film- und Fernsehdramaturgie e.V., Wendepunkt, Virtual Reality – Erzählen in 360°, N°37, Februar 2017
2.Ebenso, S. 4
3.Ebenso, S.5
4.Ebenso, S.6
5.Ebenso, S.6
6.Ebenso, S.7
7.Ebenso, S.6
8.Ebenso, S.7
9.Ebenso, S.5
10.Ebenso, S.7

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