Glitch Art in Videos

(fig.: Chairlift, Evident Utensil, 2009 )

Gleichzeitig futuristisch und retro1, hat der « Glitch »- Effekt seit 2017 alle Formen des Designs massiv erobert: von Fashion zu Branding, Fernsehen und Filme, sowie Packaging und Webseiten. Die zerstörten verpixelten Bilder – nun Teil der gegenwärtigen Designkultur – surfen auf der Faszination für die Zerstörung, die Dekonstruktion und die schauerliche Schönheit der Fehlordnung. Sie sind eine ästhetische Antwort zur Glätte und zum Sicherheitsfanatismus des 21. Jahrhunderts. Sie sind die Visualisierung des frechen und kühnen Störenfrieds, des Fehlers im System2. Als diese punkige Ideologie die erste große Welle der Glitch-Art 20023. beseelte und großartige Kreativitätsmöglichkeiten eröffnet hat, scheint jedoch der Glitch 15 Jahre später – in einer aktuellen kontrollierten Form – nur das Gespenst von sich selbst zu sein, ein substanzloser „Effekt“, welchen man nun als Plug-In kaufen kann.

Doch wenn die soziokulturellen Konnotationen des Glitchs verwischt werden, bleibt er förmlich sehr interessant und reichhaltig, vor allem im Format des Videos. Die künstlerischen Experimente, welche in den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts vor allem in Musikvideos4 durchgeführt wurden, haben teilweise die großzügigen Glitcheffekte in einen fast barocken Zustand dargestellt: die fehlerhafte Vervielfachung des Bilds verstärkt die Bewegung bis zur Übertreibung, die fragmentierten Übergänge flechten die Bilder ein, betonen symbolische Assoziierungen und schaffen eine semantische Verseuchung, ein geometrisches und gerastertes Chaos. Auch wenn die Glitchpraxis seitdem meistens entradikalisiert geworden ist und zurückhaltender genutzt wird, behält sie jedoch ein große narrative und förmliches Potenzial, welche noch Zukunft vor sich hat. Ein Potenzial, in welchem Media Designer bestimmt viele Gestaltungslösungen heranziehen können.

 


 

1.Griner, D. (2017), „From Marketing to Fashion ‚ The Glitch has become one of today’s defining design trends”, In: ADweek, , url: https://www.adweek.com/ digital/from-marketing-to-fashion-the-glitch-has-becomeone-of-todays-defining-designtrends/
2. „The Art of Glitch“, In:Offbok, 08.08.12, url: https://www.pbs. org/video/off-book-art-glitch/
3. Motherboard. (2002), url: www. liveart.org/motherboard/
4. Chairlift, „Evident Utensil“, url: vimeo.com/3139412 oder Kanye West, Welcome to Heartbreak, url: https://vimeo. com/4578366

 


 

BIBLIOGRAFIE

Methode
– Blumenkranz, A. (2012), Instrumentalising the Accident. Critical Methodologies in Glitch Art , London: University of London
– Branigan, E. (1992), Narrative comprehension and film, New York: Routledge
– Rose, G. (2012), Visual Methodologies: An Introduction to researching with visual materials, London:Sage Publishers

Bedeutung
– Barker, T. (2011), “Aesthetics of the Error: Media Art, the Machine, the Unforeseen, and the Errant,” In: Nunes, M. ed., Error: Glitch, Noise, and Jam in New Media Cultures, New York: Continuum
– Le Feuvre, L. (2010), Failure: Documents of Contemporary Art, Cambridge: MIT Press, London:Whitechapel Gallery
– Sotiraki, V. (2014), Glitch Art Narratives An Investigation of the relation between noise and meaning, Lund: Lund University
– Virilio, P. (1993), “The Primal Accident,” In: Massumi, B., The Politics of Everyday Feared, Minneapolis: Minnesota University Press

Glitch & Datamoshing
– Kelly, C. (2009), Cracked Media: The Sound of Malfunction, Cambridge: MIT Press
– Ito, Y.,Stone, C., Yamada, M.and Miyazaki, S. (2013), Datamoshing Technique for Video Production, The Society for Art and Science
– Lotringer, S., Virilio, P. (2005), The Accident Of Art, trans. Mike Taormina, Cambridge: MIT Press
– Moradi, I., Scott, A., Gilmore, J. and Murphy, C. (2009), Glitch: Designing Imperfection, Brooklyn-New York: Mark Batty Publisher

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